Lhakpa Doma Salaka-Pinasa Sherpa |
Frauen in Nepal
In: Südasien, 20,1:31 (2000).
Seit der Einführung größerer Freiheitsrechte hat sich die Diskussion über die Stellung der Frauen in Nepal deutlich intensiviert. Es wird viel gesprochen von der Benachteiligung der Frauen im Vergleich zu den nepalischen Männern, ohne daß dies bisher im staatlichen oder gesellschaftlichen Gefüge irgendwelche nennenswerten Konsequenzen gehabt hätte. Die Entscheidung darüber liegt ohnehin überwiegend in den Händen von Männern, und denen fällt ein Umdenken besonders schwer; gilt es doch, auf zahlreiche Privilegien und Vorrecht zu verzichten und die Frauen als in allen Belangen gleichberechtigte menschliche Geschöpfe zu akzeptieren.
Die staatlichen Gesetze und die gesellschaftlichen Regeln und Traditionen haben jedoch ihre Wurzeln im Mikrokosmos von Familie und dörflicher Gemeinschaft. Hier ist der Bereich, in dem das Bewußtsein von Männern und Frauen geprägt wird. Und hier ist es auch, wo die Frauen am ehesten selbst etwas zur Verbesserung ihrer Situation bewirken können. Solange die Frauen nicht zusammenhalten und statt dessen ihr eigenes Geschlecht schlecht machen, wird sich nicht viel an ihrer Situation ändern. Sie sehen einander als Konkurrentinnen, schauen auf andere Frauen hinab und tun, als ob sie halbe Menschen seien oder kleine Mädchen.
Ein Beispiel mag die Auswahl der Schwiegertöchter sein. Wie Agenten halten die zukünftigen Schwiegermütter nach jeder Art von Information Ausschau, die sie über die mögliche Schwiegertochter erheischen können. Besonders wichtig sind dabei wirtschaftliche Aspekte wie z. B. der Reichtum der Eltern des Mädchens. Deckt sich die Realität nicht mit den Wunschvorstellungen, dann wird halt nach einer anderen Braut gesucht. Wichtig ist auch, daß die Mütter überzeugt sind, daß die ausgesuchte Schwiegertochter ihren Sohn glücklich macht und ihm Söhne schenkt.
Ob eine Frau mit 18 oder 20 Jahren ihre Freiheit aufgibt und für die Gesellschaft ins kalte Wasser taucht oder wie Sita im klassischen Epos ins Feuer springt. Hauptsache, sie kann beweisen, daß sie sich noch nicht durch Kontakte zu einem Mann verschmutzt hat. Bleibt nur die Hoffnung, daß das Feuer von Sita ausgeht oder die Hölzer naß bleiben und nicht Feuer fangen. Es ist an der Zeit, daß auch die nepalischen Männer nachweisen, daß sie noch rein sind, wenn sie in eine Ehe eintreten.
Solange die Worte der Frau nur als halbe Wahrheit gelten, wird Frauengerede auch nicht ernst genommen werden. Es ändert sich nichts an der Haltung der Gesellschaft, wenn nicht einmal wir Frauen selbst unsere eigenen Schwestern ernst nehmen. Den Männern kann es doch nur recht sein, wenn die Frauen einander schlecht machen.
Zu Hause gilt die Frau als Lebensquelle. Doch es stellt sich die Frage: Für wen schuftet sie eigentlich? Es war einfach immer so, und darum muß es auch weiterhin so bleiben. Die Frauen sind wie Saisonarbeiter: Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, dann schickt man sie weg, und sei es nur deswegen, weil sie keine Söhne bekommen. Daran wird sich nichts ändern, solange die Eltern ihre Kinder zweiklassig erziehen: Erst die Söhne und vielleicht später ein ganz klein wenig auch die Töchter. Es muß wohl daran liegen, daß der Mann etwas in der Hose hat, nicht aber die Frau, daß sich die Gleichberechtigung der Frauen in Nepal so lange hinzieht.
Die mangelnde Emanzipation und Bildung der Frauen ist ein gesellschaftliches Problem. Ohne wirtschaftliche Rechte, sprich gleichberechtigten Anspruch auf das Erbe der Eltern, kann dieses Problem nicht gelöst werden. Solange werden nämlich die Männer über die Frauen entscheiden und werden sie wie eine Ware an andere Familien verschenken.
Ein weiterer Schritt wird sein, daß die Frauen ihre Lebenspartner selbst aussuchen. Die Eltern sprechen von Ängsten, die Tochter könne ein uneheliches Kind bekommen, und sie versuchen daher, ihre Tochter in möglichst sehr jungen Jahren an einen Mann zu verheiraten, den sie selbst nach überwiegend wirtschaftlichen Kriterien ausgesucht haben. Die Folge ist, daß die Frauen gar nicht erst zu Schule geschickt werden, ihrerseits sehr jung schwanger werden und im Laufe ihres Lebens zehn und mehr Kinder zur Welt bringen, falls sie nicht zuvor im Kindbett sterben.
Stirbt eine Frau, so heiratet ihr Mann oft innerhalb nur weniger Monate wieder. Meist heißt es dann, dies sei notwendig, damit Haushalt, Feld und Kinder versorgt würden. Ganz anders steht es mit der verwitweten Frau. Welcher Mann will schon eine solche Frau, wohl möglich mit mehreren Kindern, heiraten. Kein Mann in Nepal will sich so etwas antun. Folglich bleiben die Frauen nach dem Tod ihrer Männer sehr oft unverheiratet, von diesbezüglichen religiösen Vorurteilen ganz zu schweigen.
Behinderte Frauen haben gar keine Chance, einen Mann zu finden. Ja, sollte sich eine solche Behinderung erst nach der Eheschließung einstellen, kann der Mann sie sogar ganz legal verstoßen und eine andere Frau heiraten. Wehe der Frau, die es wagen sollte, ein solches Recht auch für sich einzufordern.
Die Kinder werden in Nepal sehr elternhörig erzogen. Sie betrachten ihre Mutter als Freundin und Ansprechpartnerin, die eigene Ehefrau aber lediglich als Arbeitskraft und Brutkasten für die Kinder. Aber sind es nicht Frauen, nämlich die Mütter, welche ihre Söhne im familiären Rahmen zu dieser für Frauen so negativen Haltung erziehen? Ist es nicht logisch, daß diese so erzogenen Männer später im gesellschaftlichen und staatlichen Rahmen wenig Verständnis für die lauter werdenden Forderungen einer kleinen Schicht gebildeter und emanzipierter Frauen haben? Wenn wir Frauen etwas bewegen wollen, dann sollten wir damit an den Wurzeln beginnen.
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