Karl-Heinz Kraemer
Department of Political Science of South Asia, South Asia Institute, University of Heidelberg

Politische Entwicklungen in Nepal nach dem 1. Juni 2001

In: Nepal Information, 89:25-29 (2002)

Das Jahr 2058 v.s., das Mitte April zu Ende gegangen ist, wird sicherlich als eines der schwärzesten Jahre in die Annalen der nepalischen Geschichte eingehen. Zehn Jahre nach der Demokratisierung tut sich das Land zunehmend schwerer, die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen. Das Problem ist dabei weniger die Tatsache, daß die erhoffte Demokratisierung Zeit braucht, sondern eher die Art, wie die verantwortlichen Politiker und Parteien scheinbar zielstrebig jeden positiven Ansatz im Keim ersticken.

Die aus dieser negativen Entwicklung resultierende Unzufriedenheit einer zunehmend besser gebildeten, von der Verfassung mit weitgehenden Freiheitsrechten versehenen und politisch bewußteren Bevölkerung macht sich nicht allein über die Medien und Interessenvertretungen Luft. Ein weiteres Indiz ist auch der erhebliche Zuspruch, den die CPN (Maoist) in den vergangenen Jahren trotz ihres brutalen und oft menschenrechtsverachtenden Vorgehens aus immer größeren Teilen der Bevölkerung erhalten hat.

Die Ermordung fast der gesamten Königsfamilie am 1. Juni 2001 hat wie kein anderes Ereignis seit 1990 das ganze Land erschüttert und neue Voraussetzungen geschaffen. König Birendra galt für viele Menschen als Symbol der Einheit einer von gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Ungleichheit gezeichneten Nation. Angesichts des Versagens der gewählten Volksvertreter hinsichtlich einer Lösung der zahlreichen Probleme des Landes, einschließlich des maoistischen Konflikts, hatten viele Nepali in ihm eine letzte Hoffnung gesehen.

Dialog und Eskalation

Nach halbherzigen, völlig unbefriedigenden und auch viel zu spät eingeleiteten Versuchen einer Aufklärung des Massakers versetzte die gescheiterte Einbeziehung der Armee in die Befreiung von 70 Polizisten, die von den Maoisten als Geiseln genommen worden waren, der ohnehin vor dem Aus stehenden Koirala-Regierung den Todesstoß. Damit wurde der Weg frei für Sher Bahadur Deuba. Die Einleitung des Dialogs mit den Maoisten war der wohl bedeutendste von mehreren positiven Ansätzen, mit denen Deuba Ende Juli 2001 seine Amtsgeschäfte aufnahm. Die sofortige Annahme des Dialogangebots Deubas seitens der Maoisten bedeutete die Einstellung aller bewaffneten Konflikte für die nächsten Monate.

Von Anfang an wurde jedoch erneut das unverbesserliche Machtgerangel im NC deutlich. Der 79jährige Girija Prasad Koirala nutzte sein Amt als Parteivorsitzender, das mit einer undemokratisch anmutenden Machtfülle ausgestattet ist, erneut, um Deuba das Leben so schwer wie möglich zu machen. Er sprach von einem parteiübergreifenden nationalen Konsens und ließ offen erkennen, daß er dabei natürlich erneut Premierminister werden wollte. Als Folge war die Politik des NC zum Teil der Regierungspolitik entgegengesetzt.

Eine entscheidende Konsequenz dieser Lähmung der Regierung war die Verzögerung des Dialogs mit den Maoisten. Viel zu lang waren die Abstände zwischen den drei Verhandlungsrunden. Auch wurden konkrete Ergebnisse nicht deutlich. Die drei Grundforderungen der Maoisten waren dabei eine schwer verdauliche Kost für die Regierung: Abschaffung der Monarchie, Einführung einer Republik und als Grundlage die Schaffung einer neuen Verfassung durch eine vom Volk gewählte verfassunggebende Versammlung.

Die Maoisten machten in der etwa viermonatigen Verhandlungsphase diverse Zugeständnisse. So verzichteten sie vorerst auf eine Abschaffung der Monarchie und folglich auf die sofortige Einführung einer Republik. Sie bestanden jedoch bis zuletzt auf allgemeinen Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung, die dann eine neue Verfassung ausarbeiten sollte. Die bestehende Verfassung kritisierten sie als undemokratisch, weil sie 1990 von selbsternannten Volksvertretern geschaffen wurde. Jene Parteiführer hätten keinen repräsentativen Querschnitt der nepalischen Gesellschaft dargestellt, sie seien nie vom Volk gewählt und somit legitimiert gewesen und sie hätten es nicht einmal für nötig gefunden, die von ihnen entworfene Verfassung durch ein Volksreferendum absegnen zu lassen. Trotzdem heiße es in der Präambel der Verfassung, sie sei mit der größtmöglichen Beteiligung des Volkes entworfen worden.

Ein Entgegenkommen seitens des Staates gab es in keinem Punkt. Gleichzeitig sahen sich die Führer der Maoisten einem wachsenden Druck jener maoistischen Kräfte ausgesetzt, die mit dem Verlauf des Dialogs nicht einverstanden waren.

Ihre Führer kündigten letzteren daher am 23. November 2001 einseitig auf und kehrten mit einer erneut gesteigerten Brutalität zu Großangriffen auf Polizei und staatliche Einrichtungen zurück. Innerhalb nur weniger Tage gab es hunderte von Toten. Erstmals wurden auch militärische Einrichtungen angegriffen, womit die Auseinandersetzung eine neue Dimension annahm. Parallel zu ihren militanten Aktionen bildeten die Maoisten einen sogenannten nationalen "Volksrat", der 37 Personen umfaßt und unter Leitung von Baburam Bhattarai steht.

Nepal im Ausnahmezustand

Die Antwort des Staates war die Ausrufung des landesweiten Ausnahmezustands, die Aussetzung zahlreicher Grundrechte und die Mobilisierung der Armee. Die Maoisten erklärte man offiziell zu Terroristen, auf die man eine gnadenlose Jagd einleitete.

Die Verhängung des Ausnahmezustands erfolgte auf der Grundlage der Verfassung mittels einer entsprechenden vom König abgezeichneten Verordnung der Regierung, die am 21. Februar vom Repräsentantenhaus abgesegnet wurde. Damit gilt der Ausnahmezustand zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten, also bis Ende Mai. Eine Verlängerung um weitere sechs Monate ist dann mit Zweidrittelmehrheit der Abgeordnetenstimmen möglich.

Im Gegensatz zur Polizei wirkte die Armee zunächst den maoistischen Kräften deutlich überlegen. Doch inzwischen ist klar, die Sicherheitskräfte können die Maoisten nicht militärisch besiegen, zumindest nicht in der Form, wie dies den Verantwortlichen anfangs vorschwebte. Auf der Strecke blieben lediglich Demokratie und Menschenrechte. Gleichzeitig steht das Land auch wirtschaftlich zunehmend vor dem Ruin. Mit dem Ausbleiben der Touristen ist die wichtigste Wirtschaftsquelle fast völlig versiegt.

Hinterlassen wurde eine Spur des Blutes und der Menschenrechtsverletzungen. Rund 2000 Personen haben im Verlauf der letzten fünf Monate bei Auseinandersetzungen zwischen Armee/Polizei und Maoisten den Tod gefunden. Die Zahl der getöteten Zivilisten ist nach offiziellen Angaben gering, aber wegen der Pressezensur und der damit einhergehenden Unterdrückung der Medien ist es nicht leicht, ein objektives Bild von der Lage in den am heißesten umkämpften Gebieten des Landes zu erlangen. Gezielte Tötungen von Maoisten oder Personen, die als solche verdächtigt werden, scheinen jedoch an der Tagesordnung zu sein. Amnesty International äußerte in einem Sonderbericht Anfang April die Befürchtung, daß unter den als Maoisten gezählten Opfern zahlreiche Zivilisten sind, weil die Sicherheitskräfte auf bloßen Verdacht hin töten.

Die Maoisten wirken jedoch angeschlagen und haben in jüngster Zeit ihre Taktik geändert. Sie unternehmen nun mehr und mehr Anschläge gegen staatliche und öffentliche Einrichtungen wie Flughäfen, Wasserkraftwerke, Telekommunikationseinrichtungen, Verwaltungsgebäude, Brücken, Wasserleitungen usw. Auch häufen sich Anschläge im Kathmandutal.

Diese Anschläge treffen in verstärktem Maße auch unbeteiligte Zivilisten. Man gewinnt den Eindruck, daß die Maoisten mit dieser Gefährdung von Zivilisten und der sinnlosen Zerstörung öffentlichen Eigentums viele ihrer ursprünglichen Sympathisanten verlieren, die sich vor allem aus dem Kreis der verarmten und benachteiligten Massen rekrutieren. Als die Maoisten vom Anfang April zu einem Nepal Bandh (völlige Lahmlegung des öffentlichen Lebens) aufriefen und die rund 250.000 Schüler, die just in diesen Tagen ihre Abschlußprüfung ablegen wollten, vor einer Prüfungsteilnahme warnten, gab es einen Aufschrei der Empörung aus allen Schichten der Gesellschaft. Die Folge: Die Maoisten verschoben in letzter Sekunde den Nepal Bandh auf Ende April, und auch dann war die Resonanz mäßig.

Für eine Wertung ist es sicherlich noch zu früh, aber es hat im Augenblick den Anschein, als würde die neue unpopuläre Taktik der Maoisten rascher zu einem Ende des Konflikts beitragen als jede militärische Gewaltaktion. Hierzu paßt auch, daß sich alle parlamentarischen Parteien, einschließlich derer vom äußerst linken Spektrum, zu einer friedlichen Gegenbewegung zusammengeschlossen haben, die offensichtlich Anklang findet. Verhalten reagiert man in politischen Kreisen bisher auf ein erneutes Dialogangebot des Maoistenführers Prachanda. Es scheint aber, daß fast alle Parteien inoffiziell Gespräche zu ihm suchen.

Lage der Menschenrechte

Gravierende Menschenrechtsverletzungen sind seit Ausbruch des Konflikts vor gut sechs Jahren von beiden Seiten begangen worden. Entführung, Verschleppung, Folter und Tötung gehören beiderseits zu den gängigen Praktiken. Während die Sicherheitskräfte auf bloßen Verdacht hin, es könne sich um Maoisten handeln, Personen töten, haben die Maoisten viele Menschen getötet, von denen sie glaubten, es handele sich um sogenannte "Feinde der Revolution". Die Sicherheitskräfte greifen immer wieder zum Mittel der Tötung, obgleich auch Verhaftungen und gerichtliche Untersuchungen möglich wären, während die Maoisten sehr oft verwundete oder gefangene Polizisten töten.

Mit der Verhängung des Ausnahmezustands hat sich die Lage noch dramatisch verschlechtert, weil zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden und alle Fälle, die von den Sicherheitskräften in Zusammenhang mit dem maoistischen Aufstand gebracht werden, nur noch von einem Sondergericht abgehandelt werden dürfen, das aber immer noch nicht geschaffen wurde und für das es bisher keine rechtlichen Grundlagen gibt. So sind weit mehr als 5000 Personen inzwischen verhaftet worden (AI nannte diese Zahl bereits für Anfang Februar) und befinden sich im Gewahrsam der Sicherheitskräfte (dies ist möglich bis zu 90 Tagen). Eine Einschaltung des Rechtswegs und eine juristische Verteidigung wird ihnen verwehrt; die Angehörigen erhalten keine Auskunft über ihren Verbleib. Viele werden nachweislich in der Haft gefoltert und oft auch getötet.

Nicht anders verfahren die Maoisten, die viele ihrer Gefangenen gefoltert und einige von ihnen durch selbsternannte "Volksgerichtshöfe" zum Tode verurteilt haben. Eine andere negative Praxis der Maoisten, auf die Amnesty International verweist, ist die Rekrutierung von Kindern für ihre Rebellenarmee.

Als besonders schwerwiegend erweist sich die Einschränkung von Meinungs- und Redefreiheit, Presse- und Publikationsfreiheit sowie dem Recht auf Information. Damit wurde den nepalischen Medien und Menschenrechtsaktivisten ein Maulkorb umgebunden. Mindestens 60 Journalisten und zahlreiche Menschenrechtler haben deswegen in den letzten Monaten ärgste Repressalien wie Verhaftung und Folter über sich ergehen lassen müssen.

Die Bevölkerung Nepals hat keine Möglichkeit, sich objektiv über die Lage und Ereignisse während des Ausnahmezustands zu informieren. Selbst namhafte Tageszeitungen wie Kantipur sehen sich größtem staatlichem Druck ausgesetzt, wenn sie Stellungnahmen maoistischer Führer abdrucken. Der Willkür des Staates sind Tür und Tor geöffnet. Die Gerichtsbarkeit hat ihre Unabhängigkeit verloren. Der Staat geht grundsätzlich keinem der zahlreichen gegenüber den Sicherheitskräften erhobenen Vorwürfe nach. Die vielen urgent actions und Berichte von Amnesty International sprechen eine sehr deutliche Sprache. Der am besten umgesetzte Aspekt der Demokratisierung, die Garantie der Grundrechte, ist damit mehr als in Frage gestellt.

Nepals Maoisten und der internationale Terrorismus

Die Eskalation des maoistischen Konflikts, die Ausrufung des Ausnahmezustands und die Mobilisierung der Armee müssen auch in Zusammenhang mit der veränderten weltpolitischen Lage nach dem 11. September betrachtet werden. Zum einen ist die nepalische Regierung auf den amerikanischen Wagen aufgesprungen und hat die Maoisten, mit denen sie noch kurz zuvor am Verhandlungstisch gesessen hat, zu "Terroristen" erklärt. Im Gegenzug erklärte George Bush Nepal zu einem der kritischen Länder am Rande der von ihm ausgemachten "Achse des Bösen". In der Folgezeit besuchte mit Colin Powell erstmals ein amerikanischer Außenminister Nepal und bot amerikanische Unterstützung und Beratung bei der Bekämpfung der Terroristen an. Bush hat bereits Gelder für eine militärische Unterstützungen Nepals in Höhe von 20 Millionen $ beantragt und wird in der kommenden Woche Deuba zu einem Gespräch empfangen. Auch hochrangige britische Vertreter sind in Kathmandu vorstellig geworden; auf der Rückreise von Amerika will Deuba auch Tony Blair treffen. Ebenso stand das Thema ganz oben auf der Gesprächsliste Premierminister Deubas bei seinem Staatsbesuch in Indien Ende März 2002; in der vergangenen Woche lieferte Indien 20 LKW mit modernsten Waffen an Nepal.

Doch die tonangebenden Amerikaner übersehen, daß der maoistische Aufstand äußerst wenig mit dem internationalen Terrorismus zu tun, den Amerika vorgibt zu bekämpfen. Der Konflikt ist vielmehr hausgemacht. Er wurde möglich, weil die Massen des Volkes kaum etwas von der "Demokratisierung" der frühen 90er Jahre abbekommen, während sich die Politiker mit Korruption und Vetternwirtschaft bereichert und das Land mit ihren unverantwortlichen Machtkämpfen an den Rand des Abgrunds manövriert haben.

Lösungsperspektiven

Unabhängig wie dieser Konflikt ausgeht, die Verlierer werden immer die verarmten Volksmassen sein. So ist auch fraglich, ob die Maoisten tatsächlich eine Änderung herbeiführen würden, wenn sie an der Macht beteiligt wären. Es ist wahr, daß die Politiker mit ihrer Korruption und Vetternwirtschaft die Entwicklung des Landes auf kriminelle Weise verhindern, aber das Vorgehen der Maoisten mit ihren Anschlägen auf staatliche Einrichtungen, mit der sinnlosen Zerstörung öffentlichen Eigentums und mit der brutalen Tötung und Einschüchterung unschuldiger Menschen wirft eine solche Entwicklung in gleicher Weise zurück.

Die Armee mag im Augenblick den Maoisten überlegen sein, wenn man den zensierten Berichten des Staates Glauben schenken kann. Frieden ist aber mit Gewalt nicht zu schaffen, auch wenn westliche Mächte uns das zur Zeit mit ihrer Weltpolitik glaubhaft machen wollen. Frieden und Entwicklung sind in Nepal nur möglich, wenn der Korruption ein Ende bereitet wird, wenn gravierende Veränderungen, einschließlich gesetzlicher und konstitutioneller, herbeigeführt werden und wenn alle Menschen eine Chance erhalten, an dieser Entwicklung beteiligt zu sein.

Erlauben Sie mir abschließend noch ein paar Bemerkungen zu möglichen Ansätzen.

Dialog und Partizipation

Ein erneuter Dialog mit gleichzeitigem Waffenstillstand muß der erste Schritt sein. Der Staat wird jedoch nicht umhinkommen, den Maoisten auch seinerseits gewisse Zugeständnisse zu machen. Es wäre naiv zu glauben, man könne die Maoisten in Gesprächsrunden überreden, von ihrem gewaltsamen Weg abzulassen und statt dessen zu versuchen, ihre Forderungen über eine Beteiligung am bestehenden parlamentarischen System durchzusetzen. Angesichts des massiven Bollwerks konservativer Kräfte in den staatlichen Institutionen und in den etablierten Parteien, würde ein derartiger Versuch verpuffen wie schon zu Beginn der 1990er Jahre.

Verhandlungen hätten nur dann eine Chance auf Nachhaltigkeit, wenn der Staat parallel dazu auf die vielen berechtigten Forderungen der Maoisten einginge und zumindest das zu verwirklichen suchte, was auch die Verfassung als staatspolitische Richtlinien auferlegt.

Konstitutionelle Veränderungen

Im vergangenen Jahr ist der Dialog letztlich daran gescheitert, daß die Regierung nicht bereit war, mit den Maoisten über ihre letzte verbliebene Hauptforderung zu sprechen, die einer gewählten verfassunggebenden Versammlung. Inzwischen wird in Nepal sehr heiß über Verfassungsänderungen diskutiert, ein Thema, das bis vor kurzem noch von fast allen Politikern vehement abgelehnt wurde. Dabei bedarf die Verfassung in diversen Punkten dringend einer Überarbeitung. Sinnvolle Änderungen der Verfassung wären vielleicht eine Möglichkeit, die Maoisten von ihrer Forderung einer verfassunggebenden Versammlung abzubringen. Mindestvoraussetzung wäre allerdings, daß dies dann abschließend durch ein Volksreferendum abgesegnet würde. Damit wäre dann auch die Frage der Legitimation vom Tisch.

Zukunft der Monarchie

Eines der herausragenden Ziele der Maoisten ist die Ablösung der Monarchie durch eine Republik, auch wenn man dies beim ersten Dialog zunächst zurückgestellt hat. Es mag dahingestellt bleiben, ob Monarchien noch zeitgemäß sind. Angesichts der äußerst kurzlebigen Regierungen ist eine dauerhafte Institution wie die Monarchie in Nepal im Augenblick aber sicherlich einer Republik mit einem Präsidenten vorzuziehen, der möglicherweise ebenfalls alle paar Monate wechselt. Die Monarchie hat durch das Massaker vom 1. Juni definitiv an Ansehen verloren, und König Gyanendra hat große Probleme, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Solange er sich jedoch an die konstitutionellen Spielregeln hält, stellt er eher einen Rückhalt als eine Gefahr für die Demokratie dar.

Aufgaben der Geberländer

Was können die westlichen Geberländer tun? Militärische Beratung und Unterstützung (wie jetzt von den Amerikanern angeboten) macht allenfalls Sinn, wenn die Geberländer, von denen Nepal auf lange Sicht abhängig ist, bei der Vergabe ihrer Gelder auf die notwendigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen drängen. Die deutsche EZ-Planung zu Nepal mit ihrem verstärkten lokalen Ansatz möchte ich dabei als beispielhaft werten.

In diesem Zusammenhang muß ich noch eine Entwicklung ansprechen, die ich sehr bedauere. An meiner Stelle hätte heute eigentlich Herr Diebold sprechen sollen, der Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kathmandu. Die FES hat in den letzten Jahren und ganz besonders unter der Leitung von Herrn Diebold eine hervorragende Arbeit im politischen Bildungsbereich geleistet. Sollte es zu einem erneuten Dialog mit den Maoisten kommen, wird eine solche Arbeit umso wichtiger sein. Es ist daher eine bedauerliche und für mich nicht begreifbare Entscheidung des FES, gerade in dieser Situation ihre Arbeit in Nepal abzubrechen.


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